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    Bio-veganer Gemüseanbau und Psychotherapie

    Interview mit Psychologin (M.Sc.) und Bio-Gärtnerin Katja Blume

    Interview von Anne
    05.12.2023 — Lesezeit: 6 min
    Bio-veganer Gemüseanbau und Psychotherapie
    Bild/Picture: © Katja Blume

    Biogemüse und Resilienztraining: Ihr findet, das passt nicht zusammen? Und ob es das tut! Ich habe Katja, die Betreiberin von EngelsBlume kennengelernt – sie bietet in Brüggen therapeutisches Gärtnern und Counseling im Grünen an und hilft damit Menschen in schwierigen Phasen ihres Lebens.

    Präventionsmaßnahmen und psychotherapeutische Behandlung beim Gärtnern: Weil ich finde, dass das ziemlich faszinierend klingt, habe ich mich mit Katja zum Interview verabredet und sie hat mir einiges über ihr wertvolles Projekt verraten.

    Anne: Moin Katja! Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst! Wie geht es Dir heute? Was hast Du heute schon gemacht?

    Katja: Hi Anne, ich habe Laub zusammengekehrt und zum Trocknen ins Gewächshaus gelegt. Das benötigen wir, um die Beete winterfest zu machen. Außerdem haben wir heute geerntet, da unsere Solawista, so nennen wir unsere Kund*innen, ihre Gemüsekisten heute Nachmittag abholen können.

    Anne: Der Winter steht vor der Tür: Gibt es im Moment im Garten noch viel zu tun oder ruht der erst mal bis zum Frühling?

    Bis kurz vor den Feiertagen wird geerntet

    Katja: Wir ernten bis kurz vor Weihnachten. Also gibt es rund ums Gemüse bis dahin immer was zu tun. Dann gehen wir in eine unbezahlte Winterpause bis zum 1. Mai. In der Gärtnerei gibt es aber natürlich trotzdem immer etwas zu tun: Baumschnitt, Planung für die neue Saison und im Februar geht auch schon die Jungpflanzenanzucht wieder los!

    Anne: Bei EngelsBlume bietet Ihr Green Care und Care Farming an. Möchtest Du mir die beiden Begriffe etwas genauer erklären?

    Katja: Green Care beinhaltet eine große Bandbreite an gesundheitsfördernden und -verbessernden Interventionen, deren Basis die Natur bildet. Care Farming, in manchen Ländern bekannt als soziale Landwirtschaft oder als Health Farming, ist eine Intervention, bei der durch die alltäglichen Arbeiten in einem landwirtschaftlichen Betrieb die psychische und körperliche Gesundheit gefördert wird.

    Anne: Ich habe schon häufiger gehört, dass die Natur uns beim Heilen hilft – Waldbaden ist ja auch eine ziemlich beliebte Therapiemaßnahme. Wie kommt es, dass wir im Grünen so gut abschalten können?

    Katja: Eine Vermutung für die Ursache ist, dass das Vorhandensein von viel Grün in der Umgebung für uns als ursprünglich nomadisch herumziehende Menschen schon immer ein klares Signal dafür war, dass ein Ort ausreichend Wasser und Nahrung bietet.

    Anne: Deine Fachgebiete sind Gesundheit- und Sportpsychologie und als Fachkraft für psychosoziale Gesundheitsförderung bist Du auch ausgebildete Entspannungspädagogin, Mental Coach sowie Resilienz- und Stressmanagement-Trainerin. Das klingt sehr vielseitig. Sicher hast Du beruflich einige Stationen durchlaufen, bevor Du EngelsBlume gegründet hast?

    "Ich habe als Pilotin nebenberuflich Psychologie studiert"

    Katja. Bild: Katja Blume
    Katja. Bild: Katja Blume

    Katja: Das stimmt. Die EngelsBlume ist das Ergebnis vieler unterschiedlicher Erfahrungen. Früher war ich Pilotin – ein sehr stressiger Job. Damals habe ich aber schon in der Ausbildung im Fach Human Performance viel über Möglichkeiten des mentalen Trainings, des Trainierens von Resilienz und auch des Stressmanagements gelernt. Das habe ich bei mir selbst viel angewendet und dann beschlossen, nebenberuflich Psychologie zu studieren. Außerdem habe ich ein paar Jahre inmitten der Natur im chilenischen Patagonien auf einer Farm gelebt und gemerkt, wie wohltuend diese Arbeit ist.

    Anne: Was muss man tun, wenn man zum Beispiel ein Resilienztraining bei Euch machen möchte?

    Katja: Man meldet sich über das Kontaktformular auf unserer Homepage. Wir besprechen dann einen passenden Termin. Es handelt sich um einen Kompaktkurs von zwei Tagen. Wenn es sechs Teilnehmende gibt, erstatten die Krankenkassen den Termin zurück.

    Anne: Die mentale Gesundheit ist gerade in unserer heutigen Zeit mit multiplen Krisen ein hohes Gut und immer mehr Menschen haben damit zu kämpfen. Gleichzeitig ist es jedoch immer schwieriger, Hilfe zu bekommen und etwa einen Therapieplatz zu bekommen. Das liegt vor allem auch an unserem verzwickten Gesundheitssystem. Es gibt zwar viele Therapeut*innen, viele können jedoch keine Kassenpatient*innen annehmen, weil sie schlicht keine Kassenzulassung bekommen. Sie würden zwar liebend gerne Patient*innen aufnehmen, können es jedoch nicht.

    Die Wartelisten werden immer länger und im Schnitt werden Hilfesuchende erst nach 120 Tagen behandelt. Weil das insgesamt ganz schön viel Kraft kostet, geben viele schon vor dem Ziel auf und verschlechtern ihre Lage dadurch weiter. Hinzu kommt, dass man innerhalb dieser Prozesse seine Sorgen und Traumata immer wieder teilen muss. Zuerst mit dem* der Hausärzt*in, dann mit der Kontaktstelle, dann beim Erstgespräch mit einem*r Psycholog*in, der*die in der Regel keine Therapieplätze freihat und anschließend fällt man erst mal in ein Loch und muss weiter warten. Bevor das Spiel dann von vorn losgeht. Allein das kann extrem kräftezehrend sein und zum Beispiel Depressionen noch verschlimmern. Wie kann das sein und was muss geschehen, damit wir hier in Deutschland aus dieser Misere herauskommen? Können nicht einfach mehr Therapeut*innen eine Kassenzulassung erhalten?

    "Wir brauchen noch mehr Kassenzulassungen für Psycholog*innen"

    Katja: Da hast Du vollkommen recht. Es gibt immer noch zu wenige Kassenzulassungen. Der Bedarf wird vom gemeinsamen Bundesausschuss geplant. Aber man sieht ja an den langen Wartezeiten, dass es trotz Nachbesserung immer noch zu wenige sind. Deshalb arbeite ich neben meiner Freiberuflichkeit noch bei einem Unternehmen, das Onlinegespräche anbietet, die von einigen Krankenkassen und Firmen übernommen werden.

    Anne: Du bietest das therapeutische Gärtnern bei Euch kostenlos an, weil die Menschen, die zu Euch kommen, gleichzeitig mit ihrer Arbeit im Garten Eure SoLaWi (Solidarische Landwirtschaft) unterstützten. Das klingt nach einem wunderbaren Geben und Nehmen! War es von Anfang an der Plan, beides zu verbinden oder hat sich das nach und nach gefunden?

    Katja: Das war von Anfang an die Idee. Mein Mann und ich haben die Solawi mit dem Ziel gegründet, dass es mehr sein soll, als nur die Versorgung mit regionalem Biogemüse. Wir wollten einen Ort der Begegnung schaffen, mit der Möglichkeit, etwas für die mentale Gesundheit zu tun.

    Anne: Ich möchte gerne noch etwas näher auf die SoLaWi eingehen. Wann habt Ihr sie gegründet und wie seid Ihr an das Land gekommen?

    Katja: Wir haben sie 2021 gegründet. Die Voreigentümer*innen der Gärtnerei sind nach Skandinavien ausgewandert und wir hatten Glück, dass wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.

    Anne: Wie groß ist Euer Gelände insgesamt und welche Gemüsesorten baut Ihr an?

    "Bei uns wachsen alle sieben Kräuter für die Frankfurter Grüne Soße"

    Gemüse aus bio-veganem Anbau von EngelsBlume. Bild: Katja Blume
    Gemüse aus bio-veganem Anbau von EngelsBlume. Bild: Katja Blume

    Katja: Die Gärtnerei umfasst knapp einen Hektar, also 10.000 qm Land und wir bauen circa 60 verschiedene Gemüsesorten an. Standardsachen, wie verschiedene Kohlsorten, Salate, Tomaten. Gurken, Paprika, Auberginen, aber auch exotischere Dinge wie Ingwer, Chili, Koriander, chinesischen und neuseeländischen Spinat und alle sieben Kräuter für die Frankfurter grüne Soße – was hier im Norden auch als exotisch gilt.

    Anne: Als ehemaliger Hessin läuft mir da natürlich sofort das Wasser im Mund zusammen. Ich habe letztes Jahr im Sommer mal wieder versucht, eine Grüne Soße mit Sojajoghurt herzustellen. Den habe ich natürlich bekommen. Am Ende waren es aber nur fünf der Kräuter und ich musste wie immer improvisieren. So ist das hier im Norden. Du findest einfach nur ganz schwer Pimpinelle, Kerbel und Borretsch (lacht).

    Ihr betreibt biologischen Landbau. Geht Ihr hier nach der klassischen Methode vor oder düngt Ihr beispielsweise vegan?

    Katja: Wir benutzen keinerlei tierische Produkte für die Düngung, da wir es für ethisch nicht korrekt halten.

    Anne: Du lebst ja selbst auch vegan. Mir persönlich hat die Umstellung damals sehr geholfen, einige Zweifel loszuwerden im Hinblick auf meine Ernährung und die Behandlung der Tiere in der Industrie. Glaubst Du, dass unsere moderne, hoch technisierte, anonyme Tierhaltung und der anschließende Verzehr dieser Produkte generell auch ein Punkt ist, der unsere psychische Gesundheit beeinflusst?

    "Wir haben den Bezug zu den natürlichen Kreisläufen verloren"

    Katja: Ich glaube, dass allgemein die Distanz zu natürlichen Kreisläufen so groß ist, dass das bei vielen Menschen für ein Gefühl der inneren Leere sorgt. Jeder, der sich mit grundlegenden Dingen, wie selbst Gemüse anbauen beschäftigt, merkt, wie wohltuend diese Tätigkeit sein kann. Jedem ist bewusst, wie Tierhaltung heutzutage aussieht. Wenn man das aber durch seine Konsumentscheidungen unterstützt, obwohl es gegen eigene Werte verstößt, sorgt das für eine ständige kognitive Dissonanz und das kann krank machen.

    Anne: Ihr seid bei EngelsBlume derzeit zu dritt – Du, Dein Mann Torsten und Coty, die bei Euch ihr freiwilliges ökologisches Jahr macht. Ihr habt ja sicher ganz schön viel zu tun, mit so viel Gemüsegarten. Kommt Ihr ab und zu noch runter vom Hof?

    Katja: Im Frühling und Sommer haben wir meistens eine Sechs-Tage-Woche. Dafür haben wir im Herbst und Winter weniger zu tun und genießen diese ruhigere Zeit auch sehr. Allerdings fühlt sich das Gärtnern nicht wie Arbeit an. Es macht und Spaß und erfüllt uns mit Sinn. Eine solche Aufgabe habe ich mir immer gewünscht.

    Anne: Im Moment brechen die schlechten Nachrichten nicht ab. Jeden Tag werden wir mit Bildern vom Krieg, von sterbenden Menschen und Terror konfrontiert. Was rätst Du für den Umgang damit?

    "Was kann ich beeinflussen und was nicht?"

    Katja: Das Bewusstmachen, was wir Menschen kontrollieren können und was nicht, hilft mir im Umgang damit. Das Einzige, was wir unter Kontrolle haben, ist unser eigenes Verhalten. Deshalb kann man nur entscheiden, was man akzeptieren kann und möchte und wo man Veränderung erreichen möchte. Danach kann man schauen, wie man durch sein eigenes Verhalten zur Veränderung in den Bereichen, die einem wichtig sind, beitragen kann.

    Anne: Wie sehen Eure Pläne mit EngelsBlume aus? Habt Ihr Projekte, die Ihr vorbereitet?

    "Es wird schon bald einen EngelsBlume Hofladen geben"

    Katja: Wir möchten als Nächstes einen Hofladen eröffnen und einen Fünf-Sinne-Garten bauen. Hier sollen Menschen die Natur mit allen Sinnen erleben können. Außerdem würde ich gerne einen Bildungsurlaub anbieten.

    Anne: Das klingt wunderbar! Einen Bildungsurlaub in einem wunderschönen, veganen Gemüsegarten kann ich mir auch gut vorstellen.

    Kann man die SoLaWi unterstützen?

    Katja: Wer in der Region Alfeld/Leine oder in Hannover wohnt, kann gerne einen Ernteanteil bei uns beziehen. Wir haben für nächste Saison noch ein paar Anteile frei.

    Anne: Vielen Dank für diesen Austausch! Ich wünsche Dir alles Gute für Deine Pläne und die Zukunft!

    Katja: Vielen Dank für die guten Fragen.

    Wenn Ihr jetzt neugierig geworden seid und EngelsBlume noch näher kennenlernen wollt, schaut Euch gerne mal auf Katjas Webseite um.

    © 2024 · soundsvegan.com · Anne Reis