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    Warum der Schutz der Tintenfische so wichtig ist

    Forschungsergebnisse zeigen: Oktopoden erleiden schlimmste Qualen

    Beitrag von Anne
    04.04.2024 — Lesezeit: 7 min
    Warum der Schutz der Tintenfische so wichtig ist
    Bild/Picture: © edmondlafoto, Pixabay

    Tintenfische sind faszinierende Unterwasserwesen, die es zu schützen gilt. Wie das am besten funktioniert? Wenn wir die Tiere in Ruhe lassen. Statt sie zu jagen und zu verzehren, sollten wir von ihnen lernen. Sie sind äußerst intelligent und pflegen ein komplexes Sozialverhalten.

    Bei Gefahr stoßen Tintenfische ein dunkles Sekret aus, das Tinte genannt wird. Daher auch ihr Name. Heute gibt es etwa 800 Unterarten in den Weltmeeren. Ganz genau kann man das nie sagen, dafür ist die Tiefsee einfach noch viel zu wenig erforscht. Es kommen immer wieder neue Arten hinzu. Im Fossilbericht 1 ist die Rede von circa 2.000 Arten.

    Die Weichtiere werden in zwei Unterklassen eingeteilt – die Coleoidea und die Dibranchiata. In manchen Büchern werden sie auch als Tintenschnecken bezeichnet. Damit wird ihre Zuordnung zu den Weichtieren und die Unterscheidung von Fischen, die zu den Wirbeltieren zählen, klar.

    Sie gehören zu den Kopffüßlern oder Cephalopoda und haben einen Tintenbeutel am Körper, der aus einem von Weichteilen umwachsenen Gehäuse besteht. Die bei uns bekanntesten Tintenfische sind die Kalmare (Teuthida). Auch Sepien (Sepiida) und Kraken (Ocotopada) zählen zur Gattung der Tintenfische.

    Achtarmige und Zehnarmige Tintenfische

    Bild/Foto: "Squid" © MartinStr, Pixabay
    Bild/Foto: "Squid" © MartinStr, Pixabay

    Ein häufiges Missverständnis ist, dass alle Tintenfische acht Arme haben. Neben den Achtarmigen Tintenfischen (Vampyropoda) gibt es jedoch auch Zehnarmigen Tintenfische (Decabrachia), zu denen auch die Sepien gezählt werden, die umgangssprachlich am häufigsten mit dem Begriff "Tintenfisch" gemeint sind. Auch die bereits ausgestorbenen Belemniten (Belemnoidea) gehören zu den Tintenfischen. Die ältesten bestätigten Tintenfischfunde entstammen dem Mississippium (Unteres Karbon) 2. Dieses begann vor rund 358,9 Millionen Jahren. Es endete vor circa 323,2 Millionen Jahren.

    Die Oktopoden sind die am gründlichsten erforschten Tintenfische. Videos von Forschenden, in denen Oktopoden komplizierte Aufgaben lösen3, Schraubverschlüsse öffnen, aus Labyrinthen herausfinden oder Gegenstände in einer logischen Reihenfolge sortieren, kennen die meisten von uns. Tintenfische können extrem schnell neue Dinge lernen und nutzen sogar Werkzeuge4. Sollte nicht allein das schon Grund genug sein, sie nicht zu verzehren? Diese Frage könnte man sich an dieser Stelle definitiv stellen.

    Vielleicht überzeugt einige ja auch, dass sie ganz individuelle Persönlichkeiten5 besitzen und die Individuen genau wie Menschen extrem unterschiedlich auf Reize reagieren. Sie werfen Gegenstände und spielen damit, indem sie sie von Hindernissen abprallen lassen6. Ich empfehle Euch hierzu das Buch "Rendezvous mit einem Oktopus: Extrem schlau und unglaublich empfindsam: "Das erstaunliche Seelenleben der Kraken" von Sy Montgomery (detebe, ISBN-13: 978-3257244533).

    Faszinierende, vielseitige Lebewesen

    Schaut man sich das Verhältnis zwischen Körper und Gehirn an, ist das Gewicht bei Tintenfischen ähnlich verteilt, wie bei zahlreichen Wirbeltieren.7 Über ihr Nervensystem, über das unter anderem die farbliche Anpassung der Tiere auf ihre jeweilige Umgebung gesteuert wird, gibt es einige spannende wissenschaftliche Aufzeichnungen, die es sich zu lesen lohnt 8. Auch wenn, wie bei uns Menschen, zahlreiche Neurotransmitter dafür verantwortlich sind, dass es funktioniert, ist es mit dem Gehirn eines Wirbeltiers nicht vergleichbar.

    Die Neuronen, die für ihr Verhalten verantwortlich sind, sitzen so zum Beispiel lediglich zu 40 Prozent im Gehirn selbst. Der Rest davon ist in den Armen zu finden. Kein Wunder, dass man, beobachtet man die Tiere eine Weile, fast das Gefühl bekommen könnte, jeder Arm hätte sein eigenes kleines Gehirn dabei. So selbstständig kümmern sie sich um Dinge. Wie wäre es mit einem Schlagzeug spielenden Oktopus? Mit dem rechten Fuß die Bassdrum und mit dem linken Arm die High Hat zu spielen, sollte für die Wirbellosen doch ein Leichtes sein. Moment – mit der dritten Tentakel die Bassdrum, mit der fünften die High Hat, mit der siebten die Snair und mit der achten noch eben schnell die Noten für den vorn am Bühnenrand stehenden Violinisten umblättern.

    Die Sache mit den Gliedmaßen verteilten Neuronen hat jedoch auch deutliche Schattenseiten. Und hier kommen auch schon wieder wir Menschen ins Spiel. Genauer gesagt – die Fischerei9. Erhält ein Oktopus zum Beispiel einen Schlag mit einem Knüppel auf den Kopf, wird er nicht wirklich betäubt. Die Tiere leiden oft über lange Zeiträume Schmerzen, bis sie verenden.

    Die Meere sind hoffnungslos überfischt und darunter leiden auch die Tintenfische. Das könnt Ihr unter anderem hier10, hier11 und hier12 nachlesen. Der dritte Link führt zu einem Artikel, indem der BUND darauf hinweist, dass die Meerestiere, die in Deutschland gefischt werden dürfen, für dieses Jahr bereits am 27. Februar aufgebraucht waren. Seit diesem Tag essen die Deutschen also importierte "Meeresfrüchte" und Fische.

    Fischereitechniken und ihre Auswirkungen

    Bild/Foto: "Squid" © MartinStr, Pixabay
    Bild/Foto: "Squid" © MartinStr, Pixabay

    Speziell für Oktopoden konzipierte Fischereitechniken wie Fallen, Haken oder Töpfe wirken sich zwar insgesamt weniger auf die Umwelt aus (Beifang, Meeresboden) als zum Beispiel Schleppnetze. Besonders die Entfernung der Tiere aus dem Fangutensil sowie die Schlachtung sind jedoch grausam und werden von Tierrechtsorganisationen wie der Albert Schweitzer Stiftung und PETA13 immer wieder als nicht tierschutzkonform beschrieben.

    Die Albert Schweitzer Stiftung berichtet, dass heute rund 80 Prozent aller im Mittelmeerraum gefangenen Oktopoden aus der Fischerei mit Fallen stammen. Das geht auch aus dem von der Stiftung zitierten Paper "Fisheries Production and Market Demand" von Graham J. Pierce und Julio Portela14 hervor. Die großen industriellen Fischereibetriebe setzen hingegen weltweit in den meisten Fällen auf sogenannte Grundscherbrettnetzen15. Da sie den Meeresboden nachhaltig zerstören, kommen sie immer weiter in Verruf. Das Leid der Tiere ist auch bei dieser Fangmethode nur schwer einschätzbar.

    Anders als viele Fische, überleben Oktopoden, die den Fangprozess bei der Grundschleppnetzfischerei in der Regel. Sie erleiden Stress und Schmerzen – beides verstärkt sich, sobald sich die Netze durch das Einholen zusammenziehen extrem. Zwar ist das eigentliche Gefangenwerden zum Beispiel bei Fallen weniger traumatisch, sobald die Tiere an Bord der Schiffe geholt werden und sich anschließend dort befinden, kämpfen sie mit dem Ersticken und versuchen zu fliehen und scheitern dabei. Weil das den Fischereibetrieben bekannt ist, trennen sie die Tintenfische sofort vom Rest ihres Fangs, sobald sie ihn an Bord geholt haben und sorgen dafür, dass sie sich nicht mehr bewegen können – die Qualen nehmen zu.

    Werden die Tintenfische in Fallen gefangen, versuchen sie sich in diese "Höhlen" zurückzuziehen. Damit die Fischer*innen sie nicht mit Gewalt herausreißen müssen, nutzen sie oft Bleichmittel, um die Tiere durch Verätzung des Körpers und der Augen dazu zu zwingen, ihren Rückzugsort loszulassen. João Pereira und Sílvia Lourenço haben diese Prozesse in ihrem Paper "What we do to kill an octopus – Anecdotal knowledge on octopus suffering in fisheries and what can be done about understanding the processes and minimizing consequences" genau beschrieben.16

    Das anschließende Betäuben und Töten der Tintenfische ist nicht minder grausam. Die Schmerzen und der Stress der Tiere sind nach wie vor nicht klar erforscht. Sie müssen, geht man von dem Wissen aus, das die Forschung über Oktopoden bis heute zusammengetragen hat, unvorstellbar sein. Von "schmerzfreier Tötung" kann hier definitiv keine Rede sein.

    Die kommerziellen Fischereibetriebe im Mittelraum töten die Tiere heute noch, indem sie ihre Köpfe (beim Tintenfisch "Mantelsack" genannt) feste auf den Boden oder eine andere harte Oberfläche schlagen. Alternativ zerstechen sie das Gehirn mit einer Klinge. Dies ist zwar, wird sie gezielt ausgeführt, die schnellste Methode, allerdings wird sie zum einen nur selten genutzt, zum anderen kommt es häufig zu einem Stochern, das weitere Qualen nach sich zieht. Zudem verkaufen sich mit Oktopoden, die auf diese Weise getötet wurden, weniger gut. Einige Fischer*innen hängen die gefangenen Tiere auch an Deck in Netzen auf. Eine weitere, äußerst brutale Methode, bei der es zu schwersten Verletzungen der Organe kommt, ist es, den Mantelsack nach außen zu stülpen. Die Tintenfische sterben langsam und qualvoll. In Japan legt man die Tintenfische auf Eis, bis sie sich nicht mehr bewegen können. Sie ersticken langsam, mit gelähmten Gliedmaßen.

    Kann man Tintenfische nicht einfach züchten?

    Auch bei der Züchtung von Tintenfischen in Aquakulturen müssen die Tiere natürlich noch getötet werden. Weitere Probleme kommen hinzu. Zwar werden sie nicht aus dem Meer entnommen, dafür belastet die Züchtung die Umwelt jedoch auf andere Weise. Die Tiere ernähren sich von Fleisch (in der Natur sind das zum Beispiel Garnelen, Krill, Fische, Plankton und Krill) und bis sie getötet werden, müssen sie mindestens das Dreifache ihres Gewichts im ausgewachsenen Alter an Futter bekommen. Je mehr Stress sie haben, umso mehr müssen sie fressen. Das Fischmehl, das sie erhalten, wird aus Fischen hergestellt, die in den meisten Fällen aus dem Meer stammen17.

    Der Raubbau an der Meeresfauna nimmt durch die Züchtung von Tintenfischen also nicht ab. Wildtiere stecken sich bei den Zuchttieren mit Krankheiten an. Viele der Tiere sterben in den Farmen durch Stress und Kämpfe untereinander18 – Tintenfische sind eigentlich Einzelgänger. Einzelhaltung ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich. Die Intensivzucht belastet die Umwelt durch eingesetzte Medikamente und Herbizide sowie die Hinterlassenschaften der Tiere in den Aquakulturen. National Geographic erwähnt zum Thema das Essay von Jennifer Jacquet und ihren Co-Autor*innen, Becca Frank von der New York University, Tierrechtsaktivist Walter Sanchez-Suarez und dem australischen Wissenschaftsphilosophen Peter Godfrey-Smith "A Case Against Octopus Farming"19. Sie schreiben darin ganz konkret:

    "Oktopoden sind besonders ungeeignet für ein Leben in Gefangenschaft – sowohl aus ethischen, als auch aus ökologischen Gründen. Ein so eingeschränkter Lebensraum ist für Tiere mit solch komplexen Nervensystemen und Gehirnen besonders grausam. Sie sind zu Mimikry, Spiel, differenzierter Navigation und Entwicklung von Jagdstrategien fähig. Sie führen ein bedeutungsvolles Leben. Beführworter*innen der Aquakulturen berücksichtigen nicht, wie vielfältig die Gezeitenzone ist. So etwas kann man nicht nachstellen. Der Stress und die Monotonie der Gefangenschaft, die hohe Sterblichkeitsrate und verstärkte Aggression, Parasitenbefalle und Verdauungsprobleme, die allesamt mit der intensivierten Zucht zusammenhängen sprechen für sich. Es ist zudem Verschwendung, sie mit Fischen aus dem Meer zu füttern. Dadurch wird die Überraschung weiter vorangetrieben."

    Ab hier folgt persönliche Meinung

    Zusammenfassend lässt sich also, finde ich, ganz klar sagen: Tintenfische gehören wie alle Meerestiere nicht auf unsere Teller, sondern ins Meer. Dort sollten sie in der heutigen Zeit nicht mehr gejagt und geschlachtet, sondern geschützt werden. Um den Tieren Leid zu ersparen, den Lebensraum Ozean zu erhalten und das Klima zu schützen. Auch die Züchtung außerhalb ihrer angestammten Habitate ist grausam und klimaschädlich. Anstatt uns Alternativen für die Beschaffung von Meerestieren auszudenken, sollten wir lieber weiter an pflanzlichen Alternativen für traditionelle Fleisch- und Fischgerichte arbeiten – oder akzeptieren, dass moderne Zeiten auch eine moderne Ernährunsweise mit sich bringen. Die wachsende Weltbevölkerung ist schließlich auf die pflanzlichen Ressourcen angewiesen. Wir sollten sie also nicht an Tiere verfüttern, die wir züchten, um sie zu essen. Doch das Thema hatten wir ja schon so oft.

    Einblicke in die Fischerei gibt übrigens auch der Film Seaspiracy von Kip Andersen. Ihr könnt Euch hier direkt alle Infos dazu holen und den Trailer anschauen.

    Bilder/Pictures: MartinStr, edmondlafoto, Pixabay

    1. Encyclopedia Britannica – "The fossil record"
    2. LGRB Wissen – "Mississippium"
    3. TED – "The amazing brains and morphing skin of octopuses and other cephalopods"
    4. Science – "Observational Learning in Octopus vulgaris"
    5. APA Psyc Fachartikel – "Personalities of octopuses (Octopus rubescens)".
    6. APA Psyc Fachartikel – "Exploration, play and habituation in octopuses (Octopus dofleini)"
    7. Albert Schweitzer Stiftung – "Tintenfische"
    8. TED – "The amazing brains and morphing skin of octopuses and other cephalopods"
    9. Research Gate – "World Octopus Fisheries"
    10. World Ocean Review – Stand der Meeresfischerei
    11. PETA – "Wie Fischerei unsere Meere zerstört"
    12. BUND – "End of Fish Day – End Of Fish Day: Deutsche Fischprodukte für das Jahr 2024 bereits am 27. Februar aufgebraucht"
    13. PETA – "Oktopus"
    14. Graham J. Pierce & Julio Portela – "Fisheries Production and Market Demand"
    15. Fischereibestände Online – "Grundscherbrettnetze"
    16. João Pereira & Sílvia Lourenço – "What we do to kill an octopus – Anecdotal knowledge on octopus suffering in fisheries and what can be done about understanding the processes and minimizing consequences"
    17. José García García – "Farming Costs and Benefits, Marketing Details, Investment Risks: The Case of Octopus vulgaris in Spain"
    18. Benjamín García García, Jesús Cerezo Valverde, Felipe Aguado-Giménez, José García García, María D Hernández – "Growth and mortality of common octopus Octopus vulgaris reared at different stocking densities in Mediterranean offshore cages"
    19. National Geographic – "Der Appetit auf Oktopus"

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