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    Gendersternchen, gendersensible Sprache und Barrierefreiheit

    Darum entgendere ich auf meinem Blog

    Beitrag von Anne
    13.04.2022 — Lesezeit: 4 min
    Gendersternchen, gendersensible Sprache und Barrierefreiheit

    Weil ich schon von den verschiedensten Menschen auf unterschiedlichste Art und Weise darauf angesprochen wurde, habe ich mich dazu entschieden, einen Artikel darüber zu schreiben, warum ich auf meiner Seite schon seit längerer Zeit entgendere und dazu nicht nur möglichst neutrale Sprache, sondern auch das Gendersternchen gebrauche.

    Die kurze Antwort auf die Frage: "Warum entgenderst Du auf Deinem Blog?" lautet: Weil ich in meinen Texten keinen Menschen ausschließen möchte. Ich selbst mag es nicht, ausgeschlossen zu werden und darum möchte ich auch sonst niemanden ausschließen. Und hier ist die etwas längere Antwort:

    Mir ist es wichtig, alle Menschen anzusprechen und auch selbst angesprochen zu werden. Eigentlich sollten wir aus dem Zeitalter, in dem Menschen geboren wurden und umgehend einen Stempel erhielten "Du bist ein Junge" oder "Du bist ein Mädchen" längst raus sein. Doch leider ist das noch nicht wirklich der Fall – auch, wenn sich in den letzten Jahren einiges bewegt hat. Darum will ich dazu beitragen, dass es irgendwann soweit ist und Menschen sich einfach über das neugeborene Baby freuen, ohne beim Blick in den Kinderwagen die "Mädchen oder Junge"-Frage zu stellen. Und womit erreiche ich die meisten Menschen? Mit den Texten auf meiner Seite.

    Gendersensible Sprache im Internet

    Ein wichtiges und großes Puzzlestück des Ganzen ist gendersensible Sprache. Sie verbreitet sich immer mehr und das ist gut so. Allerdings gibt es auf diesem Gebiet noch viele Unsicherheiten und vor allem auch Gesprächsbedarf. Das Thema ist wichtig und darum möchte ich es ansprechen.

    Kommen wir zur genderneutralen Sprache im Internet. Auf immer mehr Plattformen taucht inzwischen der Doppelpunkt als "Gendersternchen-Alternative" auf. Auch viele Firmen, Magazine und Blogs nutzen ihn in ihrer Kommunikation. Hier ein paar Informationen, warum es sich dabei nicht um die perfekte Lösung handelt:

    Viele Menschen sind beim Lesen im Internet auf Screenreader angewiesen. Sie werden bei dieser Lösung leider übergangen. Der Doppelpunkt wird von Screenreadern nicht automatisch als Glottisschlag (also das, was beim Entgendern gewollt ist) vorgelesen. Dem Doppelpunkt fehlt außerdem (im Gegensatz zum Sternchen und zum Unterstrich) auch die symbolische Bedeutung. In konservativ-christlichen Kreisen wird er zudem auch schon als Ersatz für eine binäre (!) Schreibweise verwendet.

    Barrierefreiheit

    Zwei LQBTQ-Flaggen flattern im Wind. Im Hintergrund ist blauer Himmel mit Sonnenschein und zwei kleine Wolken zu sehen.
    Darum nutze ich gendersensible Sprache auf meinem Blog

    Zwar gibt es einige blinde, sehbehinderte, neurotypische/neurodivergente und/oder nicht binäre Menschen, die den Doppelpunkt bevorzugen, dennoch handelt es sich dabei nicht, wie das viele denken, um die derzeit beste mögliche Lösung. Die Stimmen der Menschen, die sich kritisch dagegen äußern, sollten auf der Suche nach "perfekten Lösung" auf keinen Fall überhört werden. Viele nicht-binäre Menschen lehnen den Doppelpunkt aufgrund seiner fehlenden symbolischen Bedeutung ab. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband1 sowie die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit2 von Informationstechnik empfehlen für das Entgendern mit Zeichen anstelle des Doppelpunkts den Asterisk (sprich, das Sternchen) zu verwenden.

    Die eine optimale Lösung für das Entgendern mit Sonder- oder Satzzeichen gibt es also nicht. Das gilt sowohl in technischer, als auch in praktischer Hinsicht. Die Rufe derer, die von einer "Zerstörung" der Sprache sprechen (streng genommen ist es ja lediglich eine ganz natürliche Weiterentwicklung, Sprache befindet sich immer in Bewegung und entwickelt sich permanent weiter) sind leider ja auch unüberhörbar.

    Was auf jeden Fall hilft, die derzeitige Situation zu meistern, ist der Abbau von Barrieren für Menschen, die auf Screenreader angewiesen sind. Dazu gehört unter anderem auch der Verzicht auf eine bunte Schar von Emojis. Menschen, die einen Screenreader nutzen, hören sonst so etwas wie "Es war ein schöner Ausflug! Rotes Herz, lachende Sonne, Eisbecher, lachendes Gesicht, offener Mund". Doch, was macht ein Screenreader eigentlich mit einem Doppelpunkt?

    Das passiert mit dem Doppelpunkt im Screenreader

    Einige Screenreader lesen den Doppelpunkt vor, einige lesen ihn als Pause. Diese ist so lang, dass der Lese- bzw. Informationsfluss gebremst wird. Beim Sternchen passiert in der Regel das, was wir aus den ZDF Heute-Nachrichten kennen und uns gerade selbst angewöhnen: Die Betonung fällt auf den Laut hinter dem Stern.

    Ein Beispiel: Lehrer*innen

    Die Betonung wird, wie gesagt, als Glottisschlag bezeichnet. Auch hier kann es gelegentlich zu Missverständnissen kommen. Eine mögliche Alternative ist der Gender-Gap (_). Dieser wird zwar auch gelegentlich als Satzzeichen gelesen, das kann in der Regel jedoch ohne Schwierigkeiten korrigiert werden.

    Wenn ich keine Gruppe ausschließen möchte, muss ich auch darauf achten, dass meine Texte möglichst barrierefrei sind. Hier bin ich, genau wie viele andere, noch am Anfang und lerne jeden Tag dazu. Wenn ich erfahre, dass ich zum Beispiel einer blinden Person das Lesen erleichtern kann, indem ich mich an ein paar einfache Regeln halte, dann versuche ich mich möglichst danach zu richten. Wie ich schon sagte: Ich selbst möchte nicht ausgeschlossen werden, darum versuche ich mein Möglichstes zu geben um auch selbst keine*n zu benachteiligen.

    Die ideale Lösung gibt es nicht

    Fazit: Die Barriere-freisten Lösungen sind das Gendersternchen und der Gender-Gap. Wobei Ihr hier einen besonders wichtigen Gesichtspunkt nicht außer Acht lassen solltet:

    Zwar sind der Asterisk und der Unterstrich inzwischen beide innerhalb der queeren Community weit verbreitet, jedoch wird der Asterisk, wie gesagt, sowohl vom DBSV sowie dem BFIT-Bund empfohlen, auch, weil er wesentlich bekannter und beliebter ist, als der Gap.

    Warum sagst Du eigentlich "entgendern" und nicht gendern?

    Warum sich das Wort "gendern" so stark durchgesetzt hat, weiß ich nicht. Da das Verwenden gendersensibler Sprache diese jedoch genderneutral macht und nicht auf die binäre (sprich, auf weiblich und männlich) Schreibweise begrenzt, ist "entgendern" der korrekte Begriff. Wenn Euch also mal wieder jemand mit Sätzen wie "Ihr mit Eurem Gender-Gaga" kommt, könnt Ihr im Grunde einfach milde lächeln.

    Lesetipps

    Danke an dieser Stelle an Behindernisse-Gründer Ash für die sachkundige Beratung. Ohne Deine Artikel und Tweets wären viele sicher noch nicht so weit, wie sie heute sind. Neben Ashs Expertise habe ich auch unter anderem die folgenden Bücher zum Thema zur Rate gezogen:

    1. Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband
    2. Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit

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