Soundsvegan Logo

soundsvegan.com

    "Though Life"

    Das neue Album von Breaths

    Review von Anne
    19.10.2021 — Lesezeit: 4 min
    🇬🇧 Read English Version
    "Though Life"
    Bild/Picture: © Breaths

    Das neue Breaths Album "Though Life" kündigt sich an und so langsam wird es auch Zeit, dass ich es hier mal vorstelle. Das vegane Post-Music Projekt aus Richmond, Virginia hat die Platte für Anfang nächsten Jahres angekündigt.

    CW: Trauer, Mobbing, Tod, Selbstzweifel, Sucht

    Gründer Jason ist überzeugt davon, dass harte Musik und Veganismus viel gemeinsam haben. Die Leidenschaft, Empathie und der Bereitschaft, die dazu nötig ist, vegan zu leben, vergleicht er damit, eine Art von Musik zu produzieren, die nicht immer nur förderlich für die Karriere ist.

    Im Interview verriet er mir, dass düstere Post-Music für ihn die Dichotomie von Schönheit und Brutalität verkörpert – beides kann zur gleichen Zeit existieren. Was auf den Veganismus ebenso zutrifft: Zwar ist es schön, sich mit gesundem Essen und der Tatsache, dass man die Tiere in Ruhe lässt, zu beschäftigen, den brutalen Bildern aus der Tierhaltung entkommt man dennoch kaum.

    Jason aka Breaths stellt sich vor

    Breaths – "Though Life"
    Breaths – "Though Life"

    Mit seiner Musik bringt Jason Roberts aka Breaths genau das zum Ausdruck. Seine Vorbilder Cattle Decapitation und Earth Crisis, die ihm in den 1990ern bereits zeigten, dass der Veganismus starke Wurzeln in der extremen Musik besitzt, hört man seinen Songs genauso an, wie die vielfältigen Welten von Bands wie The Ocean, Deftones, Sleep Token und Holy Fawn.

    Auf seiner neue Platte "Though Life" erzählt Jason seine ganz persönliche Geschichte. Sie handelt nicht nur – wie das hier bereits vorgestellte Stück "The Forgotten Ones" von seinem ersten Album "Lined In Silver" – von seinem veganen Lebensstil und seinen Überlegungen zum Themen wie verzerrter Moral und kognitiver Dissonanz.

    "Though Life" beschäftigt sich vor allem mit dem Trauma seines Lebens. Gleichzeitig möchte Jason uns damit zeigen, dass es in unserer Welt auch immer Hoffnung gibt. Er kombiniert Elemente aus Post-Metal, Black Metal, Doom, Shoegaze, Prog und (Post-)Hardcore geschickt miteinander und erschafft dabei etwas komplett Neues. Etwas, das einen sofort in Beschlag nimmt und auch nach dem Hören noch lange beschäftigt.

    Eine musikalische Autobiografie

    Alles, was er in seinem Leben bis jetzt erfahren hat, taucht auch auf seinem zweiten Album auf: Licht und Schatten, Härte und Zartheit, Liebe und Trauer. Jason erzählte mir, dass er mit seinen neuen Songs erzählen möchte, dass sich das Leben für ihn ganz anders entwickelt hat, als vermutet:

    "Es ist viel größer, als ich es mir jemals erträumt hätte",

    sagt er. Der Sound erinnert definitiv an das Vorgängeralbum "Lined In Silver", ist allerdings noch robuster geworden. Die insgesamt sechs Songs haben nicht nur stimmungstechnisch einiges zu bieten. "The Elders" handelt vom Verlust geliebter Menschen in seinem Leben, von Krebs, Krankheit und Trauer.

    "Mit drei hatte ich schon die zwei Generationen vor mir verloren und es ging weiter bis ich 23 war – all meine Vorfahren waren gegangen."

    brüllt Jason anklagend und voll Schmerz ins Mikro. Einer dieser Menschen taucht anschließend im mit 8:05 längsten Song auf dem Album "The Patriarch" wieder auf:

    "Ich kann mich kaum noch an Dein Gesicht erinnern. Ich wünschte, ich könnte es sehen. Was wäre dann wohl anders? Bin ich Dir ähnlich? Ich weiß es nicht."

    Eine schwere Schulzeit

    "The Tormented" handelt von Jasons schwerer Schulzeit, von Mobbing, Akzeptanz und dem Wunsch, echte Freunde zu finden:

    "Alles, was ich wollte, war dazuzugehören. Ich wollte akzeptiert werden und nicht gequält."

    Mit "The Empty" hat Jason eine Ode an die Vergessenen geschrieben, die hinter hohen Mauern leiden müssen. Stumm und unsichtbar für uns. Schreiend vor Angst und Schmerz auf ihrer finsteren Seite. Voller Ungläubigkeit und Verachtung für ihre Peiniger. Ob es dabei um die Fleischindustrie geht, ist Interpretationssache. Ich würde es hier mal so stehen lassen.

    "Ich habe ihre Gesichter gesehen. Sie sehen mich an. Leer und stumm. Sie starren mit Verachtung durch mich hindurch."

    "The Matriarch" ist das wohl gefühlvollste und ergreifendste Stück auf "Though Life". Es handelt von einer mütterlichen Person (vermutlich Jasons Mutter), die alles in ihrem Leben geopfert hat, um ihre geliebten Menschen zu beschützen.

    "Ich bin dankbar für Dich. Du hast alles in Deinem Leben für mich geopfert – ohne einmal nachzufragen."

    Ein letzter, schmerzvoller Abschied

    Im letzten Track "The Wayward" dreht sich alles um den finalen Abschied von einem suchtkranken Menschen, der nach und nach sein wahres Gesicht zeigt und schließlich am Alkohol zugrunde geht. Diesen harten Stoff hat Jason gewandt in Melodien gehüllt und mehr als authentisch umgesetzt. Er schreit seinen Schmerz über den Verlust raus, nur um gleich wieder die Fassung zu gewinnen und zu verzeihen – indem die Wut die Oberhand gewinnt. Denn der Bruder konnte nicht anders:

    "Jetzt, da Du begraben bist, würdest Du sagen, dass wir eine Familie waren und dass Du mich, Deinen Bruder, liebst. Dass Blut dicker als Wasser ist. Aber dann würdest Du uns wieder ausnutzen. Man kann es nie wissen, also höre ich an dieser Stelle auf. Mit diesem finalen Abschied."

    Auch, wenn es oft kein gutes Ende nimmt: Die Hoffnung ist immer noch da. Das drückt "Though Life" auf einfühlsame Art und Weise aus. Jason schafft es, beim Hören die grauen Gedanken des Alltags zu vertreiben und den Fokus auf etwas anderes zu verschieben. Trotz der Tragödien aus seinem Leben, die er in seinen Songs beschreibt, bringt er Kraft und positive Vibes rüber – genau, wie ich es mir von dieser Platte erhofft hatte. Meine Erwartungen hat er dabei auf jeden Fall auch nochmal um ein gutes Stück übertroffen.

    "Though Life" ist ein Hörgenuss

    Während der Zeit der Pandemie hat sich Jason eingehend mit der Aufnahme der Vocals, Gitarren- und Bass-Spuren, dem Programming, Sound-Engineering, der Produktion, dem Mixing und dem Mastering seiner neuen Platte beschäftigt. Das Ergebnis kann sich ohne Zweifel hören lassen. Jasons Talente auf allen genannten Gebieten stehen außer Frage.

    Für mich ist "Trough Life" ein gelungenes zweites Album und ein Hörgenuss in jeder Hinsicht. Eine Steigerung zum ebenfalls schon grandiosen "Lined In Silver" ist klar spürbar, die Latte für die nächsten Aufnahmen liegt für Breaths nun verdammt weit oben.

    Emotionen und Mitgefühl

    Emotionale, vielschichtige, harte und tiefgründige Musik – wenn Euch diese Beschreibung anspricht, könnte "Though Life" ein Anwärter für Eure Platte des Jahres 2022 sein. Jason hat den Moment vertont, in dem die Gefühle zu einer Achterbahn werden, die einen vom Tiefenrausch mit Schallgeschwindigkeit in den Orbit schießt und wieder zurückholt.

    Die Platte steckt voller Düsternis, introvertierter Schüchternheit, Melancholie und zugleich Wut, Temperament und Wortgewandtheit. Was das Leben wirklich ausmacht: Hoffnung, Liebe und Mitgefühl wird dabei greifbar und scheint nicht mehr ganz so weit entfernt und irgendwie ein Stück realer.

    Am besten merkt Ihr Euch "Though Life" schon mal vor. Anfang des Jahres wird das komplette Album offiziell veröffentlicht.

    Mein Interview mit Breaths Gründer Jason könnt Ihr hier lesen.

    Breaths – "The Elders"

    © 2024 · soundsvegan.com · Anne Reis