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    Toundra

    "Musik ist Freiheit"

    Interview von Anne
    23.07.2020 — Lesezeit: 4 min
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    Toundra

    Die spanische Post-Rock-Band Toundra hat den deutschen Stummfilm-Klassiker "Das Cabinet des Dr. Caligari" vertont. Mich hat das sehr neugierig gemacht, darum habe ich mich mit Gitarrist Esteban Girón zum Interview verabredet.

    Durch die Wirren um Corona hat sich alles ein bisschen verschoben. Eigentlich sollte das Interview direkt im Anschluss an die April-Playlist stattfinden, in der auch Toundra Erwähnung fanden. Macht aber nichts. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Heute ist es so weit und ich kann Euch das Gespräch mit Esteban stolz präsentieren.

    2007 legten einige ehemaliger Mitglieder der Bands Nacen de las Cenizas und Ten Minute Man das Fundament für ein neues Musikprojekt - Toundra war geboren.

    Im Mai 2008 veröffentlichte die Band ihre Debut-EP "I". Inzwischen haben Toundra ihr sechstes Album aufgenommen und erfreuen sich nicht nur innerhalb der Post-Rock Szene wachsender Beliebtheit. Nach ein paar Änderungen in der Besetzung besteht die Band heute aus Esteban Girón (Gitarre), David López (Gitarre), Alex Pérez (Drums) und Alberto Tocados (Bass).

    Anne: Hi! Danke, dass Ihr Euch die Zeit für das Interview nehmt! Wie geht es Euch im Moment? Corona hat ja leider die komplette Musik Szene stillgelegt. Wie seid Ihr mit der Situation umgegangen? Gab/gibt es Online-Events?

    "Online-Events sind nichts für uns"

    ToundraToundra

    Esteban: Hallo! Erstmal vielen Dank für dieses Interview und sorry, dass es erst jetzt klappt. Wie Du schon erwähnt hast, hat COVID-19 die komplette Welt verändert. Wir waren ein bisschen abgekoppelt von allem, was außer unserer Musik noch mit der Band zu tun hat. Es sind wirklich harte Zeiten - vor allem, wenn Deine Arbeit darin besteht, die Leute auf Konzerten zusammenzubringen. Wir haben neue Musik geschrieben und uns vor der Presse und anderen Leuten, die nicht in direkter Verbindung zu unserer Musik stehen, bedeckt gehalten. Für uns war das erstmal eine positive Erfahrung. Wir halten Online Events nicht für den natürlichen Lebensraum für unsere Musik, darum haben wir auch keine veranstaltet. Wir fühlen uns auch nicht wohl mit dieser Art Veranstaltungen. Musik ist für uns einfach Musik und nicht Bild, Mode oder Social Media.

    Anne: Wer hatte die Idee, "Das Cabinet des Dr. Caligari" zu vertonen? Was ist Eure Verbindung zu diesem Film?

    Esteban: Eine Promotion-Firma in Madrid, die sich mit klassischen Musikfilmen beschäftigt, kontaktierte uns und fragte, ob wir Lust dazu hätten. Es war die Rede von nur einer Show in einem großen Kino in Madrid. Der Prozess und der Auftritt waren wundervoll. Die Musik kam sehr schnell zu uns und den Leuten hat die Show gefallen. Darum haben wir uns auch dazu entschieden, es wieder zu tun, ein Album aufzunehmen und den Moment zu genießen. Ich habe den Film genau studiert, als ich an der Uni war und die politische Message, der anti-faschistische Plot waren etwas sehr Besonderes für uns. Wir lieben diesen Film aus einem der wichtigsten Gründe überhaupt.

    Anne: Das Album ist in Akte unterteilt. Habt Ihr die individuellen Parts des Films analysiert, als Ihr die Musik dafür geschrieben habt?

    Wir kennen jeden Teil des Films

    Esteban: Wir haben uns den Film hunderte Male angeschaut. Wir kennen jeden Part perfekt. Wir haben den Film dann zu Hause noch zwei oder dreimal mit unseren Instrumenten angeschaut. Jeder für sich. Dabei haben wir versucht, uns vorzustellen, welche Art von Musik perfekt zu welcher Szene passt. Anschließend haben wir das dann gemeinsam im Proberaum wiederholt. Es war schwierig, weil es etwas war, das wir nie zuvor getan hatten. Es war aber auch einfach, weil dieser Film eine enorme visuelle Kraft besitzt. Das hat uns sehr dabei geholfen, Musik dafür zu schreiben.

    Anne: Eure Vorgängeralben sind durchnummeriert (Bis auf das letzte mit dem Namen "Vortex"). Warum habt Ihr Euch dazu entschlossen, das zu tun? Gehören sie zusammen? Was ist das Konzept dahinter?

    Esteban: Es war nur ein Witz. Wir lieben Led Zeppelin und wir wollten es als eine Art Tribut an diese Band machen. Aber eigentlich ist es nur ein Witz. Eigentlich kannst Du das "V" von Vortex auch als Fünf sehen (V.)

    Anne: Ihr stammt aus der Hardcore Szene von Madrid. Wie unterscheidet sie sich in Deinen Augen von der Post-Rock Community? Oder sind die Übergänge da fließend?

    "Die Szene ist heute ein Facebook Event"

    Toundra"Das Cabinet des Dr. Caligari" - Toundra

    Esteban: Diese Zeiten waren wirklich gut. Wirklich lustig. Wir waren nur Kinder, die Shows organisiert haben und zu welchen hingegangen sind. Die Musik war wirklich schlecht. Die Metalcore und Emo Zeiten waren wirklich lustig. Es gab ein paar gute Bands wie Gone With The Pain (Wo Alex Schlagzeug gespielt hat). Ziemlich viel Musik war furchteinflößend. Aber diese Zeiten waren besser, als heute, wo alles digital miteinander verbunden ist. Die Szene ist jetzt ein Facebook Event. Ich will kein Teil davon sein. Wir haben uns damals alle gekannt und nach Jahren der Freundschaft haben wir die Band gegründet. Es gab ein paar Post-Rock-Bands in dieser Szene. Bei Musik geht es um Freiheit. Es gibt nicht mehr Regeln, als die Regeln, die Du in einem Pentagramm sehen kannst.

    Anne: In Eurer Musik wechseln sich harte Passagen mit sanften, melodischen Parts ab. Würdest Du sagen, dass das Eure Persönlichkeit beschreibt?

    Esteban: Ja, wir sind bipolar!

    Anne: Ihr habt Euer letztes Album nach dem Vortex Club in Siegen benannt. Ein deutscher Film und ein deutscher Club. Habt Ihr eine besondere Verbindung mit Deutschland oder ist das Zufall?

    "Deutschland ist das beste Land für eine Tour"

    Esteban: Wir haben eine wirklich gute Beziehung zu Deutschland und wir haben uns immer daheim gefühlt, wenn wir in Deutschland auf Tour waren. Es ist das beste Land, um auf Tour zu gehen und wir lieben die Menschen bei Euch. Wir lieben Deutschland.

    Anne: Ich habe irgendwo gelesen, dass Ihr Experimente mit Gesang, wie andere Post-Rock-Bands sie von Zeit zu Zeit unternehmen, strickt ausschließt. Stimmt das? Was ist der Grund dafür?

    Esteban: Sag niemals nie. Wir haben schon Experimente mit Gesang gemacht. Außerdem haben wir ein Nebenprojekt mit dem Namen Exquirla mit dem Flamenco-Sänger Niño de Elche. Wir nehmen Covers mit Sänger*innen auf und ich denke, wir werden in Zukunft mit Stimmen arbeiten.

    Hardcore Punk und Flamenco

    Anne: Das klingt spannend! Ich werde auf jeden Fall dran bleiben. Flamenco, Hardcore - Eure Einflüsse kommen aus den verschiedensten Richtungen. Welche Bands haben Euch am meisten beeinflusst? Welche Künstler beeindrucken Euch?

    Esteban: Hm, ich sollte über die üblichen Bands sprechen, die uns alle beeinflusst haben. Ich denke, wir lieben die klassischen Bands wie die Beatles, Led Zeppelin, Pink Floyd und wie sie alle heißen. Wir lieben auch King Crimson und die klassischen Post-Rock-Bands und Stoner Rock und Blues. Alberto und ich haben eine Hardcore Punk Vergangenheit, also erwähnen wir auch immer Fugazi und diese ganzen Bands aus den 1980er und 1990er Jahren.

    Anne: Vielen Dank für dieses unglaublich spannende Interview! Ich freue mich schon sehr auf Eure Herbst-Tour! Wir sehen uns auf jeden Fall am 14. September im Hamburger Knust!

    Esteban: Vielen Dank! Wir sehen uns in Hamburg!

    © 2024 · soundsvegan.com · Anne Reis