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    Shana Falana im Interview

    "Druggy music by sober people"

    Interview von Anne
    03.12.2019 — Lesezeit: 7 min
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    Shana Falana im Interview
    Bild/Picture: © Monik Giesel

    Shana Falana habe ich erst vor Kurzem für mich entdeckt. In der Musikliste für den Dezember habe ich Euch ihr Shoegazer Projekt vorgestellt. Jetzt haben wir uns zum Interview verabredet.

    Shana stammt ursprünglich aus Brooklyn. Inzwischen hat sie sich im New Yorker Stadtteil Kingston niedergelassen. Am 25. Oktober hat sie ihr drittes Studioalbum "Darkest Light" bei Arrowhawk Records veröffentlicht.

    Ihr neues Werk lebt von seinen Kontrasten - hymnische Popmusik trifft auf Sludge. Falana selbst beschreibt ihren Sound als "Druffe Musik von nüchternen Menschen". Die Musikerin hat sich ihre eigene düsteren Nische in einer Nachbarschaft aus Psych-Rock, Shoegaze und Ethereal Punk geschaffen.

    New York und San Francisco

    Sie selbst hat schon so einiges erlebt, schreibt sie auf der Shana Falana Webseite.

    "Ich war eine Süchtige und habe zwei Jahre lang am Rande der New Yorker Sexindustrie gearbeitet. Während dieser finsteren Zeit habe ich gelernt, dass selbst in den dunkelsten Lebensphasen jeder noch irgendwo sein Licht hat."

    shana-falanaShana Falana. Bild / picture: Monik Giesel

    Darauf beruft sie sich auch im neuen Albumtitel. "Darkest Light" ist für sie ein Album der Mantras. Die Künstlerin hatte in den 1990er Jahren bereits in der experimentellen Popszene von San Francisco Erfolge zu verbuchen. Erkennbare Einflüsse findet man zum Beispiel bei Sonic Youth, was Shana auch bestätigt. Das aktuelle Werk erschuf sie gemeinsam mit Drummer Mike Amari und Produzent D. James Goodwin.

    Anne: Hallo Shana! Danke, dass Du Dir die Zeit für das Interview nimmst. Was für eine Ehre! Wie geht es Dir? Läuft das neue Album gut an?

    Shana: Hi Anne! Ich danke Dir! Mit dem Album läuft es bis jetzt sehr gut, ja!

    Anne: Welches Stück magst Du persönlich am liebsten?

    "Ich bin ein Fan von Duo-Projekten"

    Shana: Live singe ich am liebsten "Everyone Is Gonna Be Okay". Als Aufnahme gefällt mir "Darkest Light" am besten.

    Anne: Mit dem jetzigen Projekt machst Du seit 2012 Musik. Was hast Du zuvor gemacht und was hat Deine Reise schlussendlich in diese Richtung geführt?

    Shana: Ich bin eigentlich schon immer ein Fan von Duo-Projekten. Vor diesem hier war ich von 2005 bis 2008 in Brooklyn Teil des Duos Skirt . Meine Freundin Nicole und ich hatten es gemeinsam ins Leben gerufen. Sie spielte Orgel und ich Gitarre. In dieser Zeit habe ich auch angefangen, mit Reverb zu arbeiten, um meiner Musik einen orchestralen Sound mitzugeben. Wir haben ein paar unbeschreiblich coole Songs zusammen geschrieben. Einige davon sind auch auf der Platte gelandet. Ich habe die Stücke über die Jahre mit den unterschiedlichsten Musiker٭innen gespielt. Je nachdem, aus welcher Ecke sie kamen, klang es elektronischer oder mehr nach Heavy Metal. Ich finde es lustig, dass sie auf so viele unterschiedliche Arten interpretiert werden können.

    shana-falanaShana Falana. Bild / picture: Monik Giesel

    Anne: Du gibst auf Deiner Webseite Sonic Youth als erklärtes Vorbild an. Da haben wir einiges gemeinsam - Kim Gordon - was für eine Frau! Am Ende des Titels "Everyone Is Gonna Be OK" kann man ja auch ein ziemlich gut gelungenes "Bull In The Heather" Zitat raushören. Was fasziniert Dich ganz besonders an dieser Band?

    Shana: Die Gitarrenarbeit von Sonic Youth war für mich schon immer ein Mysterium. Ich kann mir immer noch den Kopf darüber zerbrechen, was sie da akustisch abliefern. Und Kim Gordon war immer eine Quelle der Inspiration für mich. Sie hat erst im Alter von 29 Jahren mit dem Bassspielen angefangen, was sehr spät ist. Sie postet intime Fotos von sich online, ohne dabei ihr Alter zu verbergen. Falls Du sie noch nicht kennst, solltest Du Dir unbedingt ihre Band Free Kitten mal anhören. Sie sind unglaublich. Sie haben ihren kantigen und so wunderbar verstimmten Gesangsstil voll herausgearbeitet. Ja! Ich habe "Bull In The Heather" gerippt und mir gar keine Mühe gegeben, es zu verschleiern. Ich habe einfach bei den letzten Lyrics im Song dazu mit dem Kopf genickt. Übrigens ist ihr neues Album "No Home" auch gerade erschienen.

    "Ich liebe Hörbücher"

    Anne: "No Home" läuft bei mir tatsächlich auch hoch und runter im Moment. Es ist wirklich ein geniales Album - so abwechslungsreich und vielschichtig! Apropos Kim Gordon . Sie hat ein großartiges Buch darüber geschrieben, wie das Leben als Frau in Bands ist. Hast Du es gelesen? Kannst Du bestätigen, was sie sagt? Hast Du Dich bewusst für ein Solo-Projekt entschieden, bei dem Du die Zügel selbst in der Hand hast?

    Shana: Ich glaube, Du meinst ihr Buch "Girl In A Band, Memoir", oder? Wir hatten das Hörbuch gehört, kurz nachdem es erschienen war. Wir hatten es auf Tour dabei. Ich liebe Hörbücher. Manchmal höre ich einfach lieber, als zu lesen. Ich habe es genossen, Kim dabei zuzuhören, wie sie von ihrem früheren Leben erzählt, von ihrer Beziehung mit ihrem Bruder, ihrer Karriere als Künstlerin und ihrer musikalische Laufbahn. Sie haben ihr Privatleben immer so rausgehalten. Es war sehr spannend, endlich hinter den Vorhang blicken zu dürfen.

    Anne: Aus Deiner Erfahrung heraus: Welchen Tipp würdest Du Frauen in Bands geben?

    shana-falanaShana Falana. Bild / picture: Monik Giesel

    Shana: Nur um das klar zu stellen: Wenn ich heute das Wort "Frau" höre, denke ich an alle Menschen, die sich selbst als Frauen identifizieren. Ich glaube, Du fragst, weil in der Musikindustrie bei Künstler*innen weiblichen Geschlechts immer noch Unterschiede gemacht werden. Nach wie vor dominieren die "White Dudes" die Musikindustrie. Das gilt für das Indie-Genre genauso, wie für andere. Ich meine, ich komme aus einer DIY-Community. Das bedeutet, dass wir immer als Freaks angesehen wurden, die mit Geschlechterrollen spielten, sich über Rassenklischees lustig machten und sich Kostüme anzogen, um die Bühne so verrückt wie möglich zu betreten und ein Publikum aller Altersklassen zu unterhalten.

    Wir müssen unsere Künstlerfreund*innen heute mehr als je zuvor unterstützen. Egal, welchen Geschlechts sie sind. Dabei sollten wir die hochhalten, dies es wirklich schaffen, Grenzen zu verschieben. Ich bin wirklich gelangweilt von all den alten weißen Männern, die in Rockbands spielen. Ich hab keinen Rat für Frauen, aber an alle Künstler*innen: Werdet ehrlicher und verrückter! Wir sind hungrig darauf, dass ihr uns etwas fühlen lasst. Wir möchten uns selbst vergessen, wenn Ihr auf der Bühne steht. Zeigt uns etwas Persönliches von Euch. Lasst uns tanzen! Wir kommen zu Euren Shows, um uns für einen Moment von uns selbst zu lösen. Wir brauchen Euch, um das tun zu können!

    "Ich bin in der Musikszene der 1990er Jahre in San Francisco aufgewachsen"

    Anne: Hast Du neben Kim weitere Vorbilder, die Dich und Deine Kunst so nachhaltig beeinflusst haben?

    Shana: Vorbilder sind für mich zum Beispiel PJ Harvey , Ram Dass und die Musikszene, in der ich in den 1990er Jahren in San Francisco aufgewachsen bin.

    Anne: New York ist ein Schmelztiegel der Kulturen und Stile. Hast Du Dich bewusst für diesen Standort entschieden? Welche Magie geht sonst noch von ihm aus und was unterscheidet ihn vom Rest von Amerika?

    Shana: Ich habe es mir auf jeden Fall ausgesucht! Meine Musik Community in San Francisco ist 2000 gestorben. Alle hauten wegen des Dotcom-Crash ab - alle, bis auf ein paar von uns. Ich blieb zunächst in San Francisco und fing an, für meinen damaligen Partner Kelley Stolz Schlagzeug zu spielen. Als ich mit ihm zusammen 2003 nach Brooklyn kam, um meinen Geburtstag zu feiern, sah ich, wie lebhaft die Musikszene dort war. Wir mussten einfach sofort dort hingehen. Ich packte also alles ein, als wir wieder daheim waren, fuhr nach Williamsburg und fing dort ein neues Leben an.

    Ich wollte nicht die Drummerin meines Partners sein

    Damals hatte ich auch entschieden, dass ich nicht die Drummerin meines Partner sein wollte. Ich wollte meine eigene Musikkarriere starten und es hätte dafür keinen besseren Ort und keine bessere Zeit geben können. Williamsburg platzte vor lauter Kunst aus allen Nähten. Wenn Du Dich entschieden hast, dort hinzugehen, war es, wie sich in die größte Kunsthochschule der Welt einzuschreiben. Der Unterricht war Dein Unterhalt. Ich habe damals Witze darüber gemacht, dass sogar der Müll auf den Straßen bunt war. Und er war es wirklich!

    shana-falanaShana Falana. Bild / picture: Monik Giesel

    Nach und nach wurden die Mieten höher und viele von uns zogen up State nach Hudson Valley. Auch ich lebe jetzt dort. Einige von uns schafften es auch, in Williamsburg zu bleiben. Ich fahre immer noch nach Brooklyn, um Konzerte zu geben und Freunde zu treffen. Es ist nach wie vor wunderbar dort. Viel netter. Seit so viele Menschen aus allen möglichen Ländern dort leben, ist es viel freundlicher und offener dort geworden.

    Anne: Du bist schon eine ganze Weile im Geschäft. Wie würdest Du die heutige Musikszene beschreiben und was ist der Unterschied zu vor zehn oder 15 Jahren?

    Shana: Im Moment sehe ich nur, dass man nicht einfach eine⋆n Agent⋆in engagieren kann und schon ist man ganz oben. Leider (auch meine Freund⋆innen, die Agent⋆innen sind), haben sie es ziemlich schwer, uns kleine Bands irgendwie bekannt zu machen. Der Markt ist einfach komplett übersättigt. Außerdem gibt es im Musikgeschäft einige wirklich veraltete Modelle. Dazu zählen zum Beispiel Veranstaltungsorte, die jeden Abend Live-Konzerte veranstalten. Es gibt einfach zu wenig Menschen, um so viel Musik zu unterstützen.

    Ich bewege mich schon immer innerhalb der Indie-Szene, also betrifft das nicht den Mainstream. Wenn Du Deine Lebenshaltungskosten niedrig hältst, kannst Du es schaffen, auf Tour zu gehen und Deine Rechnungen zu bezahlen. Mit Lizenzierungen bieten sich auch Chancen, populär zu werden. Musik mit Ecken und Kanten ist bei den Produzenten von Werbespots und Online-Channels gerade sehr angesagt. Wir haben uns immer über den Ausverkauf lustig gemacht. Mir wurde in den 1990er Jahren mal angeboten, eine Werbespot für Nike zu vertonen, aber ich habe abgesagt, weil es ein weltweit bekannter Sweatshop-Konzern ist. Heutzutage ist es für Musiker⋆innen schwierig geworden, solche Angebote abzulehnen. Viele Künstler⋆innen warten geradezu verzweifelt auf solche kleinen Finanzspritzen.

    Anne: Verbringst Du Deine Zeit lieber im Studio oder auf der Bühne?

    Shana: Auf der Bühne!

    "Wir wollen auf Tour gehen!"

    Anne: Wie sehen Deine nächsten Pläne aus? Denkst Du schon über die Festival-Saison 2020 nach? Wird es vielleicht sogar Konzerte in Europa geben? Es gibt einige richtig coole Post-Rock and Shoegaze Festivals hier drüben. Du würdest perfekt ins Line-up passen.

    Shana: Ladet uns ein! Meine Güte, wir würden echt gerne mit großen Künstler⋆innen auf ausgedehnte Tourneen gehen!

    Anne: Vielen Dank für das hochinteressante Interview! Es freut mich, Dich kennenzulernen! Ich wünsche Dir viel Erfolg mit dem neuen Album und alles Gute weiterhin!

    Shana: Ich kann Dir gar nicht sagen, wie geehrt ich mich fühle, dass Du mir diese Fragen gestellt hast. Sie haben mich dazu gebracht, zu reflektieren und meine Gedanken zu teilen. Es ist mir eine große Ehre!

    Shana Falana - "Darkest Light"

    Shana Falana Homepage Bilder: Monik Giesel

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